Projektbeschreibung
Das Internationale Privatrecht und das Völkerrecht eint als Teilbereiche des Internationalen Rechts ein gemeinsames Leitbild, nämlich die „Ordnung des Chaos, das die einzelstaatliche Gesetzgebung dadurch schafft, dass die verschiedenen Staaten ihre jeweiligen Regelsetzungen nicht ausreichend aufeinander abstimmen“ (Mansel, DGIR 49 (2018), 45, 131). Das Binnenverhältnis von Internationalem Privatrecht und Völkerrecht gehört zu den Ewigkeitsfragen beider Rechtsgebiete. Lange Zeit wurde vor allem ihr Auseinanderdriften beobachtet, das in einer weitgehenden Trennung gipfelte. Neuere Entwicklungen haben die Verflechtung von Internationalem Privatrecht und Völkerrecht jedoch wieder verstärkt: Man denke etwa an die steigende Bedeutung der Menschenrechte für das Internationale Privat- und Verfahrensrecht, gewandelte Wahrnehnungen von staatlicher Souveränität oder neue technische Möglichkeiten grenzüberschreitender (Zivil-)Verfahrensführung.
Das alles hinterlässt das Binnenverhältnis der beiden Rechtsgebiete im Unklaren. Dieser Zustand ist nicht nur wissenschaftlich unbefriedigend, sondern auch für die Praxis relevant. So hat etwa in der Nachkriegszeit der BGH auf eine während des Zweiten Weltkriegs im Elsass gegründete Gesellschaft deutsches Recht angewendet, obwohl die deutsche Herrschaft über das Gebiet völkerrechtswidrig errichtet worden war. Hier wirkt sich entscheidend aus, ob man für die Zwecke des Internationalen Privatrechts den Staat und sein Territorium an normativen völkerrechtlichen oder an faktischen Maßstäben misst. Vergleichbare Fragen stellen sich heute etwa betreffend die von Russland völkerrechtswidrig besetzten Gebiete in der Ukraine. Noch häufiger sind völkerrechtliche Interdependenzen im Prozessrecht. Die Staatensouveränität spielt eine zentrale Rolle beispielsweise für die Gerichtspflichtigkeit von Staaten, für die Grenzen internationaler Zuständigkeit und für die Zulässigkeit gerichtlicher Handlungen bei der Durchführung grenzüberschreitender Verfahren.
Das am Institut angesiedelte Forschungsprojekt soll diese und weitere Gebiete erforschen und so ein Bild davon zeichnen, wie Völkerrecht und Internationales Privatrecht gemeinsam einen Beitrag zur Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen leisten können.