Bereichsbild

Das Promotionskolleg

a) Zusammenfassung

b) Beteiligte

c) Forschungsprogramm / Promotionsthemen

d) Begleitendes Studienprogramm

e) Externe Betreuer

 

a) Zusammenfassung

 

Wie lässt sich der Erfolg internationaler Streitbeilegung erklären und wie ist erfolgreiche Streitbeilegung zu organisieren? Diese Fragestellungen will das geplante Promotionskolleg erforschen, für das zur Zeit 5 Doktorandenstellen zur Verfügung stehen.

In den letzten 15 Jahren ist die Zahl internationaler Streitbeilegungsinstitutionen stark angewachsen. Die Hoffnungen, die in sie gesetzt wurden, werden jedoch in ganz unterschiedlichem Maße erfüllt. Viele sind sehr erfolgreich (ICC, ICSID, CAS), andere werden kaum angerufen. Das Promotionskolleg soll einen Beitrag zum besseren Verständnis und zur Fortentwicklung dieser Institutionen leisten. Der Schlüsselgedanke lautet, dass der Vergleich verschiedener Institutionen (sowohl des Völkerrechts wie des internationalen Wirtschaftsrechts) neue Einsichten eröffnet. Vernetzte Forschungsvorhaben der beteiligten Doktoranden und Hochschullehrer sollen eine fächerübergreifende Perspektive eröffnen, die der Rechtswissenschaft bisher aufgrund der strikten Trennung von internationalem Privatrecht und Völkerrecht fehlt. Die Rechtspraxis hat inzwischen diese Grenze weitgehend aufgehoben. Diese Forschungslücke soll geschlossen werden. Die Arbeiten sollen in der Regel eine komparative Perspektive aufweisen, interdisziplinäre Bezüge zur Soziologie, Psychologie, Kommunikationswissenschaften sind erwünscht.

Das Graduierten-Kolleg ist mit der parallelen Max Planck Research School verknüpft

 

b) Beteiligte Hochschullehrer

 

Koordinatoren:

Prof. Dr. Burkhard Hess

Institut für ausländisches und internationales

Privat- und Wirtschaftsrecht und

 

Direktor, Max Planck Institute Luxembourg for
International, European and Regulatory Procedural Law

Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum

Max Planck Institut für ausländisches

öffentliches Recht und Völkerrecht

 

Andere:

Prof. Dr. Gerhard Dannecker

Ordinarius für deutsches und internationales

Strafrecht an der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Ebke, LL.M.

Institut für deutsches und europäisches sowie

internationales Gesellschaftsrecht

an der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Kronke

Institut für deutsches und internationales

Privat- und Verfahrensrecht

an der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter-Christian Müller-Graff

Institut für deutsches und europäisches sowie

internationales Gesellschaftsrecht

an der Universität Heidelberg

Prof. Dr. Thomas Pfeiffer

Institut für deutsches und internationales

Privat- und Verfahrensrecht

an der Universität Heidelberg

 

c) Forschungsprogramm

 

(1) Der Begriff "Streitbeilegung" nimmt Institutionen und Verfahren in den Blick, in denen unparteiische Dritte auf rechtlicher Grundlage einen Streit entscheiden bzw. dessen einvernehmliche Lösung vermitteln. Dies umfasst gerichtliche, schiedsgerichtliche und gerichtsähnliche Institutionen, etwa WTO-Panels bzw. WTO Appellate Bodies, sowie weitere vergleichbare Institutionen, etwa "international claim commissions" (Im Zusammenhang mit dem 1. Irakkrieg oder zur Bewältigung der sog. "Holocaust Litigation"). Zu den Verfahren der Streitbeilegung werden ebenfalls Schlichtungsverfahren (conciliation procedures) zu rechnen sein, die vor allem in den Bereichen des Völker- und des internationalen Wirtschaftsrechts vorgesehen sind. Ebenfalls mit Gegenstand des Forschungsinteresses sind Untersuchungsverfahren, die zumindest mittelbar zur Streitbeilegung beitragen. Schließlich soll auch auf Verfahren der Mediation eingegangen werden, der im internationalen Kontext gesteigerte Bedeutung zukommt.

Mit dem Begriff "international" werden rein innerstaatliche Institutionen ausgegrenzt, also vor allem staatliche Gerichte, die vor dem Hintergrund des staatlichen Gewaltmonopols und einer voll entwickelten politischen Gemeinschaft zur Streitbeilegung aufgerufen sind. Das Fehlen eines solchen Hintergrunds eint alle in Betracht kommenden Institutionen. Der Begriff "international" wird im Übrigen offen verstanden: Er umfasst nicht nur Einrichtungen der Streitbeilegung auf völkerrechtlicher, sondern auch solche auf privatrechtlicher Grundlage, soweit es sich um Streitbeilegung zwischen Parteien aus verschiedenen Staaten handelt. Allerdings können und sollen auch staatliche Einrichtungen mit starken internationalen Komponenten einbezogen werden, etwa bei einer teilweise internationalen Besetzung der Richterbank und der Anwendung internationalen Rechts, wie dies bei den gemischen Gerichten (mixed tribunals) in Sierra Leone oder Kambodscha zur Aufarbeitung von Regierungsunrecht vorgesehen ist. Wenngleich staatliche Gerichte aus der Forschungsfrage ausgeschlossen sind, so können und sollen sie doch in einer vergleichenden Perspektive bisweilen als Kontrastfolie dienen.

Eine Vielzahl von Institutionen und Verfahren ist unter diesem Stichwort zu untersuchen. Neben den bereits genannten Institutionen seien nur erwähnt: der Internationale Gerichtshof, die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer (ICC), die Streitbeilegung der WTO, der Internationale Seegerichtshof, das ICSID und seine Spruchkörper, die von OECD und Europarat eingerichteten Schiedsgerichtsbarkeiten für Teilbereiche des internationalen Steuerrechts, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der EuGH, soweit er als Schiedsgericht für völkerrechtliche Streitigkeiten zwischen den EG-/EU-Mitgliedstaaten fungiert, der interamerikanische Gerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof, das UN-Jugoslawientribunal, das UN-Tribunal für Ruanda. Wie bereits angesprochen, ist neben der institutionalisierten Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit auch an die Mediation zu denken, an die Streitbeilegung im Bereich des Internet (Online Dispute Resolution, IP-Litigation) oder an die vielfältigen Formen völkerrechtlicher Schlichtungen. Auch die Ausdifferenzierung der Verfahren(stechniken) bietet innovative Forschungsfelder: Neben der Schiedsgerichtsbarkeit geht es um Alternative Dispute Resolution, um Mass Claim Processing und um die Kombination verschiedener Verfahren in modernen Streitschlichtungs- bzw. Deeskalationsklauseln, die Negotiation, Mediation, Arbitration und Choice of Court Agreements miteinander kombinieren. Schließlich soll die Entwicklung übergreifender Verfahrenselemente in den Blick genommen werden. Nur einige seien hier kurz genannt. Die Verfahren vor internationalen Gerichten (Modifikationen gelten für die internationalen Strafgerichte) einem kontradiktorischen Verfahren. Dies hat Auswirkungen auf die Rolle der Richterschaft. Das Verfahren ist in aller Regel zweigeteilt, in ein schriftliches und ein mündliches Verfahren; die Beweisregeln ähneln einander. Man kann davon ausgehen, dass die Einrichtung der verschiedenen internationalen Gerichte und Verfahren zur Herausbildung eines, sicher noch am Anfang stehenden, internationalen Prozessrechts geführt hat.

Das Phänomen der Streitbeilegung hat sicherlich einen juristischen und politischen, aber schließlich auch einen ökonomischen Aspekt: Internationale "Anbieter" von Streitbeilegung konkurrieren miteinander um attraktive Prozesse, zugleich treten neuartige Abgrenzungsprobleme zwischen den konkurrierenden Streitbeilegungsverfahren auf. Die Weltbank hat jüngst nationale Justizsysteme auf ihre "Effizienz" evaluiert – dieser Ansatz lässt sich auch auf internationale Streitbeilegungssysteme übertragen.

Der Begriff des Erfolges ist schillernd, er hat – wie bekannt – viele Väter. Was Erfolg bedeutet, soll durch das Forschungsdesign nicht strikt vorgegeben werden: Vielmehr erscheint es wünschenswert, dass die Studien selbst einschlägige Definitionen erarbeiten und somit zur Entwicklung neuer Perspektiven auf das Phänomen beitragen. Auf jeden Fall soll der Begriff erlauben, auf ganz unterschiedliche Aspekte einzugehen. Nur einige wichtige Fragestellungen seien im Folgenden genannt.

 

Ein erstes Zeichen des Erfolgs einer internationalen Streitbeilegungseinrichtung ist, überhaupt in Anspruch genommen zu werden. Manche Gerichte haben nur ganz wenige Fälle, einige, so etwa das OECD-Kernenergiegericht in Paris, haben noch nie einen Fall bearbeitet. Manche Rechtsschöpfung, so etwa die der völkerrechtlichen Pflichten erga omnes, lässt sich aus dem Versuch internationaler Richter erklären, Fälle zu erhalten. Eine erste wichtige Forschungsfrage lautet somit, worin die Voraussetzungen liegen, damit Streitparteien eine Institution überhaupt in Anspruch nehmen. Antworten können auf diese Frage sowohl in sozialwissenschaftlicher, rechtspolitischer wie in rechtsdogmatischer Hinsicht entwickelt werden. Es können Streitkonstellationen und spezifischen Interessen ebenso untersucht werden wie die Zusammensetzung der Richterbank oder Einzelheiten des Verfahrens, die Frage der Kosten bzw. die Interessen der internationalen Anwaltschaft gerade auch in vergleichender Perspektive mit solchen Institutionen, bei denen die Streitigkeiten verhandelt werden. Ein Beispiel liefert das Seerecht, wo Streitigkeiten oft nicht vor dem internationalen Seegerichtshof, sondern vor Schiedsgerichten oder dem Internationalen Gerichtshof ausgetragen werden. Man wird sich bei der Analyse aber vor Absolutierungen hüten müssen. Lange Zeit wurde die Schiedsgerichtsbarkeit von ICSID nicht in Anspruch genommen, wahrend sie im Augenblick stark zunimmt. Die Gründe hierfür bedürfen noch einer wissenschaftlich fundierten Analyse.

Ein anderer Aspekt des Erfolgs einer internationalen Streitbeilegungseinrichtung ist, Entscheidungen zu treffen, die tatsächlich befolgt bzw. durchgesetzt werden. Dieser Aspekt ist kritisch, weil hinter einer internationalen Einrichtung, anders als hinter einem staatlichen Gericht, nicht das staatliche Gewaltmonopol und ein voll entwickeltes politisches System stehen, welche, zumindest in liberaldemokratischen Gemeinwesen, Gehorsam gegenüber den Urteilen staatlicher Gerichte einfordern. In der Tat erleben einige internationale Gerichte, allen voran der Internationale Gerichtshof, nicht selten, dass die Staaten ihren Entscheidungen nicht folgen. Allerdings gibt es hier signifikante Unterschiede, so sind die bislang ergangenen Urteile des Internationalen Seegerichtshofs sehr präzise von den betroffenen Staaten umgesetzt worden. Es ist eine Forschungsfrage zu erkunden, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Entscheidung erfolgreich ist in dem Sinne, dass sie von den Parteien akzeptiert und damit (bereitwillig) befolgt wird. Erfolg kann in dieser Hinsicht aber auch darin bestehen, dass die Entscheidung mit Hilfe anderer internationaler Organisationen implementiert wird (dieses Phänomen tritt vor allem im Zusammenhang mit dem ICSID auf) oder unmittelbar den innerstaatlichen Normgeber inspiriert. Auch hier sind sozialwissenschaftliche, rechtstheoretische ebenso wie dogmatische Fragestellungen denkbar. Sozialwissenschaftlich können Streitkonstellationen und spezifischen Interessen ebenso untersucht werden, rechtstheoretisch kann die Argumentationsstruktur von erfolgreichen mit erfolglosen Entscheidungen untersucht werden, dogmatisch kann die innerstaatliche Wirkung Forschungsgegenstand sein oder aber die Gestaltung des Verfahrens, die eine im Sinne der Durchsetzung erfolgreiche Einbindung der Streitparteien erlaubt. Mögliche Kriterien können auf der Mikro-Ebene (d. h. in Bezug auf den einzelnen Spruchkörper) sein: der Kreis der Beteiligten und Äußerungsberechtigten, die rechtliche und fachliche Legitimation des Spruchkörpers, das rechtliche Instrumentarium zur Neutralitätssicherung, Sprachfragen, Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung, die Dokumentation und Veröffentlichung der Entscheidungen, Rechtsmittel. Auf der Makro-Ebene ist nach der Ausdifferenzierung verschiedener Gerichtsbarkeiten und ihrem wechselseitigen Verhältnis, aber auch den Möglichkeiten und der Bewältigung eines "Forum Shopping" zu fragen.

Als weiterer Aspekt des Erfolgs kann untersucht werden, ob die Entscheidungen befriedend und stabilisierend wirken. Die Untersuchungen können empirisch wie dogmatisch angelegt werden. Eine wichtige dogmatische Fragestellung wäre etwa, inwieweit es den Streitbeilegungsgremien gelingt, ein konsistente Entscheidungspraxis oder sogar ein "case law" zu entwickeln, das in dem Lebensbereich aufgenommen und als autoritativ für das Verständnis der rechtlichen Vorgaben angesehen wird. Sowohl die WTO als auch ICSID, aber auch der IGH haben hier Probleme. In diesen Zusammenhang gehört auch die Frage, ob und in welchem Umfang die Streitbeilegungsgremien als legitim angesehen werden. Das ist keineswegs immer der Fall: Der Internationale Gerichtshof trifft in den USA auf ähnliche Vorbehalte wie das das UN-Jugoslawientribunal in Serbien. Diese Frage kann wiederum rechtstheoretisch, sozialwissenschaftlich und rechtsdogmatisch untersucht werden.

 

(2) Von den Bewerberinnen und Bewerbern wird erwartet, dass sie konkrete Fragestellungen entwickeln, die sich in den vorgegebenen thematischen Rahmen der Research School bewegen und diese in ihrem Dissertationsvorschlag näher spezifizieren. Vorhaben denen vergleichende Fragestellungen bzw. interdisziplinäre Methodenansätze zugrunde liegen, werden bevorzugt berücksichtigt.


 

d)  Begleitendes Studienprogramm
 

(1) Zentraler Baustein des wissenschaftlichen Programms und des Betreuungskonzepts ist das in zweiwöchentlichem Rhythmus stattfindende gemeinsame Seminar. Unter Leitung der Programmkoordinatoren werden die Doktoranden gemeinsame Fragestellungen vertiefen, hinzu kommen Vorträge von Experten.

(2) Ein weiterer Baustein des Programms ist das Doktorandenkolloquium. Einmal im Semester sollen Doktoranden und betreuende Professoren zu einem eintägigen Kolloquium zusammen kommen, auf dem zunächst allgemein interessierende Methoden- und Forschungsfragen, später der Fortschritt der einzelnen Arbeiten diskutiert wird.

(3)Die Fakultät bietet parallel spezielle Vorlesungen zur Internationalen Streitbeilegung und zur Schiedsgerichtsbarkeit an sowohl im Internationalen Privatrecht als auch im Völkerrecht. Kennzeichen dieser Lehrangebote ist die breite Einbeziehung von Praktikern (Rechtsanwälte, Schiedsrichter) in das Lehrangebot.

(4) Das Heidelberg Center for International Dispute Resolution veranstaltet jährlich im Juni in Zusammenarbeit mit der ICC International Court of Arbitration und der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) eine Sommerakademie zur Internationalen Streitbeilegung.

www.heidelberg-center.org/veranstaltg/akademie.html

Diese gibt innerhalb einer Woche einen vertiefenden Einblick in die Praxis der Internationalen Streitbeilegung. Praxisorientierte Vorträge wechseln sich mit interaktiven Workshops ab. Entsprechend der Grundkonzeption des Centers lernen die Teilnehmer hierdurch sowohl die wissenschaftlichen Grundideen als auch die Praxis der gesamten Bandbreite der Internationalen Streitbeilegung kennen.
Die Doktoranden des Graduiertenkollegs nehmen an der Sommerakademie kostenfrei teil.

(5) Die Doktoranden haben schließlich die Möglichkeit, an den drei von MPI und Juristischer Fakultät angebotenen simulierten Verfahren (moot courts) im Bereich der außergerichtlichen Streitbeilegung teilzunehmen. Dabei ist nicht nur an eine aktive Beteiligung in den Wettbewerben selbst gedacht, sondern vor allem an ein Coaching der studentischen Teams durch die Doktoranden.
Die simulierten Verfahren betreffen die privat- und völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit und Mediation gleichermaßen, vgl. die Darstellungen der Wettbewerbe unter:

http://www.heidelberg-center.org/moot
http://www.mpil.de/ww/de/pub/aktuelles/veranstaltungen/moot.cfm

Die Heidelberger Teams haben in diesen Wettbewerben in den letzten Jahren konstant herausragende Ergebnisse erzielt.

(6) Für ausländische Doktoranden werden begleitende Sprachkurse angeboten, insbesondere, um die Vorbereitung auf das (deutschsprachige) Rigorosum zu ermöglichen.

(7) Die Graduiertenakademie der Universität Heidelberg bietet zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten an. http://www.graduateacademy.uni-heidelberg.de/workshops/


e)  Externe Betreuer
 

Die Dissertationen werden grundsätzlich unter der Betreuung eines der unter b) genannten Professors erarbeitet. Besteht bereits ein Betreuungsverhältnis zwischen einem Stipendiaten und einem externen Hochschullehrer, fungiert im Rahmen des Forschungskollegs ein unter b) genannter Professor als zusätzlicher Ansprechpartner.

 

Seitenbearbeiter: IPR-Institut
Letzte Änderung: 25.04.2014
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